Bekleb bei orthopädischen Problemen - Klebebeschlag bei Arthrose, Fesselträgerschaden etc.

Wenn Pferde orthopädische Probleme haben – also Fehlstellungen, Erkrankungen oder Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates –, raten Tierärzte oftmals zu einem orthopädischen Beschlag. Darunter versteht man Beschläge, die entweder anders geformt sind oder anders angebracht werden als normale Beschläge oder aus einem anderen Material bestehen bzw. mit anderen Materialien kombiniert werden.

Da es mittlerweile für gesunde Hufe eine Vielzahl an geklebten Alternativen zum herkömmlichen Beschlag gibt, stellt sich daher die Frage: eignen sich Beklebe auch bei orthopädischen Problemen?


Dazu müssen wir uns zunächst ansehen, welche Ziele mit orthopädischen Beschlägen verfolgt werden. Dann können wir überprüfen, ob die gewünschte Wirkung auch mit modernen Kunststoff-Bekleben erreicht werden kann.

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Wirkung von orthopädischen Beschlägen

Bei orthopädischen Erkrankungen oder Verletzungen ist immer ein Tierarzt nötig, um eine Diagnose zu stellen und einen Therapieplan zu erarbeiten. Dieser wird in vielen Fällen auch einen orthopädischen Beschlag beinhalten, d.h. der Tierarzt sollte definieren, welches Ziel mit dem Hufschutz erreicht werden sollte. Der Hufschmied bzw. Hufbearbeiter sollte dann die individuell passendste Umsetzung für diese Zielsetzung wählen.

Die folgende Liste zeigt, welche Wirkungen häufig mit orthopädischen Bekleben erreicht werden sollen und ob diese auch mit Bekleben erreicht werden können:

Dämpfung

Gerade bei degenerativen Erkrankungen wie Arthrose oder Hufknorpelverknöcherung, wird die Stoßdämpfer-Funktion des Hufs bzw. des Gelenks mit der Zeit deutlich reduziert und eine dämpfende Einlegesohle im Beschlag soll diese Funktion kompensieren. Aber auch Pferde mit dünnen Sohlen oder Hufrehe freuen sich oft über eine erhöhte Dämpfung mittels Einlagen und/oder Polstern, um beim Auffußen Erschütterungen in den empfindlichen Strukturen zu vermindern.


Ist das auch mit einem Bekleb möglich?

Ja, definitiv. Kunststoffplatten ohne Metallkern haben den Vorteil, dass sie von vornherein mehr Dämpfung bieten als ein starres Material wie Eisen oder Aluminium. Zusätzlich können Beklebe ebenfalls mit weichen Einlagen und Polstern ausgestattet werden, die eine extra Portion Stoßdämpfung bieten.

Änderung des Abrollpunkts

Über die Änderung des Abrollpunktes kann beeinflusst werden, wann der Huf vom Boden abfußt, d.h. wie lange er am Boden verweilt und wie sehr dabei der Beugeapparat der jeweiligen Gliedmaße gedehnt wird. In den allermeisten Fällen möchte man den Abrollpunkt nach hinten legen, damit das Pferd schneller abfußen kann und dadurch die Beugesehnen und der Hufrollenkomplex entlastet werden. Außerdem wird dadurch die Hebelwirkung auf die Hufwand reduziert, was z.B. im Falle von Hufrehe erstrebenswert ist.

In seltenen Fällen (z.B. beim Fohlenbockhuf) wird hingegen die Zehe künstlich verlängert, so dass der Huf länger am Boden bleibt und die Beugesehnen vermehrt gedehnt werden.

Ist das auch mit einem Bekleb möglich?

Ja, absolut. Die Grundplatte eines Beklebs kann in der Form (z.B. gerade Zehe), Positionierung am Huf (z.B. zurückversetzt) und hinsichtlich des Abrollpunkts beliebig modifiziert werden. Der Kunststoff kann sehr einfach angeschliffen werden, was auch eine starke Berundung um den gesamten Bekleb (“Rock’n’Roll-Beschlag”) möglich macht.

Änderung der medio-lateralen Balance

Unter der medio-lateralen Balance versteht man das Ausbalancieren des Hufs zwischen der Innen- und Außenseite (“links-rechts”).

Bei Pferden, die aufgrund von Verletzungen, chronischen Erkrankungen (z.B. Spat) oder bedingt durch ihr Gebäude eine Hufseite deutlich mehr belasten als die andere, kann es in Folge dazu kommen, dass die mehr belastete Hufwand unter den Huf geschoben wird (“Wandgänger”) und die Belastungsverhätnisse im Huf verschoben werden. Die mehr belastete Seite erscheint dann von unten “schmäler” und die weniger belastete Seite erscheint “breiter”. In solchen Fällen wird oftmals zu einem orthopädischen Beschlag geraten, der auf der untergeschobenen Seite eine Verbreiterung aufweist, um eine Vergrößerung der Unterstützungsfläche auf dieser Seite zu erreichen. Dadurch soll die Belastung wieder gleichmäßig verteilt werden – die beiden Hufhälften erscheinen wieder gleich groß.

Manchmal möchte man über die Änderung der medio-lateralen Balance auch explizit eine Verschiebung der Belastungsverhältnisse zu einer Seite erreichen (also eine gewünschte Abweichung der “normalen” Stellung), um beispielsweise bei einer akuten Verletzung eine Sehne oder ein Gelenk temporär zu entlasten.

Ist das auch mit einem Bekleb möglich?

Grundsätzlich kann auch die Kunststoffplatte eines Beklebs einseitig verbreitert werden (z.B. durch Anschweißen von zusätzlichen Kunststoffteilen). Allerdings ist hierbei zu beachten, dass der Kunststoff – im Gegensatz zu einem starren Hufeisen – nachgiebig ist, d.h. die Platte verformt sich beim Auffußen geringfügig (was normalerweise auch erwünscht ist). Daher kann die Kunststoffplatte aber nicht beliebig verbreitert werden, da es sonst aufgrund der Biegsamkeit zu einer Hebelwirkung an der mehr belasteten Hufseite kommen kann. Wenn man das weiß, kann man allerdings mit einem kleinen Trick gegenarbeiten: der Überstand der verbreiterten Platte kann zum Huf hin mit Kunsthorn aufgefüllt werden, um die Verformung der Kunststoffplatte zu minimieren.

Änderung der dorso-palmaren Balance

Unter der dorso-palmaren Balance versteht man das Ausbalancieren des Hufs zwischen der Zehe und dem Trachtenbereich (“vorne-hinten”).

Über einen orthopädischen Beschlag kann der Huf steiler gestellt werden, um beispielsweise eine Entlastung der Beugesehnen bzw. des Hufrollenkomplexes zu erreichen. Auch können hierbei die Schenkel im Trachtenbereich verlängert oder geschlossen werden, um die Auflagefläche zu vergrößern oder ein übermäßiges Einsinken auf weichen Böden zu verhindern (was z.B. bei manchen Fesselträgerproblemen erwünscht ist). Dazu werden meistens Keile und/oder Rundeisen eingesetzt.


Ist das auch mit einem Bekleb möglich?

Ja, auch mit einem Bekleb kann die dorso-palmare Balance beeinflusst und der Huf steiler gestellt werden. Dazu kann entweder die Grundplatte selbst angeschrägt werden oder es können Kunststoffkeile eingeschweißt werden. Bei der Verlängerung der Schenkel nach hinten muss ähnliches beachtet werden wie bei der seitlichen Verbreiterung: die Kunststoffplatte ist biegsam und könnte einen erhöhten Hebel auf die Trachten bewirken. Allerdings kann hier über eine Versteifung der Grundplattte im Trachtenbereich gearbeitet werden, z.B. über eine steife Carbon-Einlage.

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Reduzierung des Hufmechanismus bzw. Versteifung der Hornkapsel

Im Normalfall möchte man mit einem Hufschutz den natürlichen Hufmechanismus  so wenig wie möglich beeinflussen, d.h. die Hornkapsel soll sich in alle Richtungen verwinden können und die Durchblutung nicht eingeschränkt werden. In bestimmten Fällen möchte man jedoch genau das Gegenteil erreichen und den Huf für eine begrenzte Zeit möglichst ruhig stellen. Dazu gehören klassischerweise Hufbein(ast)brüche, Hornsäulen-Operationen, manche Hufrehe-Fälle etc.

Wenn der Tierarzt eine Ruhigstellung des Hufs für angebracht hält, wird klassischerweise ein möglichst starrer Beschlag gewählt, der die Hufkapsel mechanisch fixiert, z.B. mit Seitenkappen, zusätzlichen Nägeln bis in den Trachtenbereich und/oder geschlossenen Eisen.


Ist das auch mit einem Bekleb möglich?

Standardmäßig ist ein Bekleb darauf ausgelegt, den Hufmechanismus bestmöglich zu erhalten, daher ist die Einschränkung durch den Bekleb nur minimal. Ein normaler Bekleb ist hierfür daher nicht geeignet. Allerdings lässt sie ein Klebebeschlag sehr gut mit starren Materialien kombinieren und dadurch eine Versteifung der Hornkapsel erreichen. Beispielsweise kann der Huf zuerst mittels eines Casts (eine Art Gipsverband) stabilisiert werden, bevor ein Bekleb angebracht wird. Auch können zusätzliche Seitenkappen aus Kunststoff angebracht werden, die den Hufmechanismus seitlich begrenzen. Trotzdem wird über Kunststoff natürlich nicht die gleiche Steifigkeit erreicht wie mit Metall. Daher ist in diesem Fall abzuwägen, wie sehr der Hufmechanismus ausgeschaltet werden soll, um anschließend das geeignete Material für den orthopädischen Hufschutz auszuwählen.

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Fazit

Es gibt am Markt eine große Vielzahl an Spezial-Beschlägen, die hier vorgestellte Liste stellt lediglich einen Auszug der häufigsten Varianten dar. Weitere bekannte orthopädische Beschläge sind z.B. zehenoffene Beschläge, Streiferbeschläge, Deckeleisen etc.

Ob diese Beschläge aus Metall angefertigt werden müssen oder auch aus Kunststoff bzw. beklebt eingesetzt werden können, hängt vom individuell für das jeweilige Pferd bestimmte Therapieziel ab. Die Zielsetzung muss jedenfalls stets vom Tierarzt vorgegeben werden. Der Hufbearbeiter sollte demnach dann entscheiden, mit welchem Material die beste Wirkung erzielt werden kann, ohne andere Nachteile (z.B. Nagellöcher) zu verursachen.


Zusammenfassend kann man jedenfalls sagen, dass die allermeisten orthopädischen Beschläge auch mittels Kunststoff erreicht und als geklebte Variante am Huf angebracht werden können. Kunststoff kann sehr flexibel eingesetzt und individuell bearbeitet werden. Auch eine Kombination mit anderen Materialien (z.B. Holz für eine Steward-Clog oder die Anbringung eines Aluminum-Eisens) ist auf einer Kunststoff-Trägerplatte möglich. Allerdings benötigt es dafür auf jeden Fall einen erfahrenen Hufbearbeiter, der sich mit den Eigenschaften der Werkstoffe und den Auswirkungen auf Statik und Gangbild des Pferdes auskennt.

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Autorin: Nathalie Kurz 


>> Quellen

 

 


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