Anatomie des Hufes

Der Pferdehuf ist ein echtes Wunderwerk der Natur. Um zu verstehen, wie er funktioniert, muss man wissen, wie der Huf aufgebaut ist. Mit diesem Wissen fällt es dann auch leicht, einen gesunden von einem kranken Huf unterscheiden zu können – und Probleme rechtzeitig zu erkennen, um ihnen frühzeitig entgegenwirken zu können.

Anatomie Pferdehuf Knochen

Foto: Anatomie Knochen

Der Huf von außen- die äußerlich sichtbaren Strukturen

Beginnen wir mit jenen Teilen des Hufs, die du selbst von außen sehen kannst. Da wäre zunächst die Hufwand: diese gibt dem Huf seine äußere Form und Stabilität. Die Hufwand sollte im Idealfall in einem gleichbleibenden Winkel vom Kronsaum zum Boden wachsen (also eine gerade Wand haben) und rundherum gleichmäßig verlaufen. Das heißt, die Hornkapsel sollte nicht asymmetrisch erscheinen oder schief/verzogen aussehen. Außerdem sollte sie weder Ausbeulungen (“Flares”) noch Risse oder “Schnäbel” aufweisen.

Die Hufform sollte einem abgeschnittenen Kegel ähneln: am Kronsaum sollte der Umfang geringer sein als am Boden.

 

Die Hufwand besteht aus unterschiedlichen Schichten: die äußerste Schicht ist die Glasurschicht, danach folgt die pigmentierte Wand und schließlich die unpigmentierte Wand. Die unpigmentierte Wandschicht ist meistens fast schneeweiß und wird deshalb häufig mit der “weißen Linie” verwechselt (siehe weiter unten).

Anatomie Pferdehuf Hufwand

Foto: Anatomie Hufwand

Diese Schichten gibt es bei jedem Huf, egal ob dieser außen dunkel oder hell ist. Die pigmentierte und unpigmentierte Hufwand sind fest miteinander verwachsen, besitzen aber eine unterschiedliche Härte. Wenn die Nährstoffversorgung des Hufs nicht optimal ist, können sich diese beiden Schichten auch spalten, wodurch sich leicht Steinchen o.ä. Fremdkörper festsetzen können.

 

Die “Innenseite” der Hufwand wird abschließend von der Verbindungsschicht gebildet, welche die Hufkapsel mit den innenliegenden Strukturen des Hufs verbindet. Diese Schicht besteht aus fasrigem Blättchenhorn (Lamellen) und wird auch “Hufbeinträger” genannt, weil sie die Aufhängung für das Hufbein (siehe weiter unten) bildet. Du kannst dir diese Lamellenschicht wie ineinandergreifende Finger vorstellen: die einen Finger gehen von der Innenseite der Wand aus, die anderen von der Huflederhaut, welche das Hufbein und die Hufknorpel umschließt. Diese “Finger” verschränken sich ineinander und bilden eine stabile, aber trotzdem elastische Verbindung. Diese Verbindung kann bei Erkrankungen des Hufs jedoch auch aufreißen, z. B. bei der gefürchteten Hufrehe. Man spricht in so einem Fall dann von “Zusammenhangstrennung”. Mehr dazu auch im nachstehenden Abschnitt zur weißen Linie.

Pferdehuf Lamellenschicht

Foto: Lamellenschicht

Eckstreben

Die Hufwand umschließt jedoch nicht den gesamten Huf: im hinteren Bereich (den Trachten), klappt die Hufwand quasi nach innen und bildet dort die Eckstreben. Die Eckstreben sind also nichts anderes, als nach innen verlaufendes Wandhorn. Diese Konstruktion bewirkt, dass der Huf zwar sehr stabil aber trotzdem bis zu einem gewissen Grad flexibel ist. Die Hufkapsel kann sich im Trachtenbereich weiten und sogar an Bodenunebenheiten anpassen. Diese Fähigkeit ist unter anderem wichtig für den Hufmechanismus.

Darüber, wie genau gesunde Eckstreben aussehen – wie sie verlaufen, welche Länge sie haben sollen und wie diese bearbeitet werden müssen –, darüber streiten sich die Experten der unterschiedlichen Hufschulen. Worin sich jedoch alle Bearbeitungsrichtungen einig sind: Eckstreben sollten mehr oder weniger gerade verlaufen (also keinen Bogen bilden) und sich auch nicht auf die Sohle legen.

Kronrand

Der Übergang von der Hufwand zum restlichen Pferdebein heißt “Kronrand”. Zum Kronrand gehört auch der “Kronsaum”, welcher wiederum die Glasurschicht der Hornwand bildet. Der Kronsaum wird auch oft als “Saumband” bezeichnet und das daraus gebildete Horn daher auch “Saumhorn”. Je nach Rasse und Witterung kann diese Hornschicht mehr oder weniger gut sichtbar sein: oftmals ist es bei kompakten Hufen und trockener Witterung gänzlich abgerieben, wohingegen es bei Kaltblütern und feuchtem Wetter oft deutlich erkennbar ist. Wenn du also das nächste Mal bei nasser Witterung eine fransige Schicht am oberen Teil des Hufs vorfindest, dann weißt du: das ist nur das Saumhorn und kein Grund zur Sorge.

Hufsohle

Anatomie Pferdehuf Sohlenansicht

Foto: Anatomie Sohlenansicht

Die Unterseite des Hufs wird schließlich von der Sohle gebildet. Das Sohlenhorn ist ein bisschen elastischer als das Wandhorn, wodurch sich die Sohle an die Verformung der Hufkapsel bei jedem Schritt anpassen kann. Ein gesunder Huf besitzt ein gleichmäßiges Sohlengewölbe (das heißt, die Form der Sohle von der Hufwand bis zum Strahl gleicht einer flachen Schüssel) und ist ausreichend dick.

Über die genaue Dicke und Wölbung der Hufsohle sind sich die Fachleute in der Pferdewelt mal wieder uneins. Oft wird eine Sohlendicke von ca. 1,5cm als gute Referenz angegeben, ebenso als Durchschnitt für die Sohlenwölbung (gemessen von der Strahlspitze zum Boden). Diese Werte sind aber stets individuell zu sehen und z. B. auch von der Größe des Pferdes abhängig. Allerdings skaliert insbesondere die Wölbung der Sohle aber nicht 1:1 mit der Körpergröße des Pferdes. Das heißt, ein großes Pferd hat im Normalfall verhältnismäßig weniger Sohlengewölbe als ein Pony.

 

Die Sohlenwölbung kann übrigens sowohl zu viel als auch zu wenig vorhanden sein. Bei übermäßigem Gewölbe findet man oftmals einen Sohlenzwang vor (zu viel Sohlenmaterial drückt nach innen in den Huf), wohingegen zu wenig Wölbung sehr häufig zu Fühligkeit führt, weil der Huf unter der Hufbeinspitze nicht mehr genügend Abstand zum Boden hat und daher bereits kleinste Steinchen zu Schmerzen führen können. Das gleiche trifft auf zu dünne Sohlen zu: auch hier ist die Schutzschicht zum Hufbein zu gering und Unebenheiten im Boden drücken daher schnell unangenehm auf den Knochen im Huf.

 

Oftmals sind Pferdebesitzer besorgt, wenn beim Auskratzen der Hufe ganze Stücke der Sohle (oder auch der Eckstrebe) wegbrechen. In den allermeisten Fällen ist dies aber kein Problem, sondern lediglich ein Zeichen, dass sich der Huf selbst hilft und überschüssiges Sohlenmaterial los werden möchte. Dieses Phänomen kannst du besonders oft bei Regenfällen nach längerer Trockenheit beobachten.

Weiße Linie

Die weiße Linie (auch “Zona Alba” genannt) ist der Übergang zwischen der Hufwand und der Sohle. Genau genommen ist die weiße Linie nichts anderes, als die Blättchenschicht zwischen Hufwand und den inneren Strukturen, die hier hinunter wächst und daher von unten sichtbar ist. Der Name ist allerdings irreführend, denn oftmals erscheint die weiße Linie eher gelblich und nicht weiß (hingegen ist der unpigmentierte Teil der Hufwand meistens beinahe schneeweiß).

Die weiße Linie ist aufgrund der zottenartigen Struktur deutlich weicher als die Hufwand oder die Sohle. Trotzdem sollte die weiße Linie geschlossen sein – die einzelnen Lamellen sollten bei trockener Witterung nicht erkennbar sein und erst recht nicht fransig aussehen.

 

Durch diese weichere Strukturierung ist die weiße Linie allerdings anfällig für Eindringlinge: sowohl Fremdkörper (Steinchen) als auch Bakterien und Pilze setzen sich hier schnell fest, wenn der Zusammenhalt nicht mehr optimal ist (meist ernährungsbedingt) oder die Haltungsbedingungen nicht passen.

Wenn die weiße Linie von Keimen befallen ist, so spricht man von der “White Line Disease” (WLD). Dabei wird die weiße Linie von Bakterien und/oder Pilzen zerfressen, was sich beim Säubern der Hufe in weißem bröckeligen Material in der weißen Linie äußert. Allerdings sind die Keime oftmals nicht die Ursache dieses Problems, sondern viel häufiger Imbalancen im Huf: wenn die Hufwand beispielsweise durch eine zu lange Zehe bei jedem Schritt nach vorne gehebelt wird, so entsteht ein mechanischer Zug auf die weiße Linie und die Verbindung kann gezerrt werden. Damit setzen sich schnell Pilze oder Bakterien fest und können in der Lamellenschicht nach oben wandern. Wenn man hier nicht rasch gegensteuert, kann es schließlich zur Problematik der hohlen Wand kommen: die Keime haben dann quasi ein Loch in die Verbindungsschicht gefressen und es ist ein Hohlraum entstanden, an dem die Hufwand keinerlei Verbindung mehr zum Hufbein hat. In Folge kann dieser Teil der Wand schnell weg brechen, womit der Huf an Stabilität verliert.

 

Du siehst also: auch für die weiße Linie ist es wichtig, für eine ausbalancierte Hornkapsel und regelmäßige Hufbearbeitung zu sorgen.

Der Hufstrahl

Von außen gut sichtbar ist außerdem der Hufstrahl. Die englische Bezeichnung dafür (“frog”) deutet bereits an, dass es sich hierbei um eine weichere Struktur als das restliche Hornmaterial handelt. Trotzdem sollte der Strahl ausreichend Festigkeit aufweisen, um genügend Schutz für die darunterliegenden Strukturen zu bieten. Einen gesunden Hufstrahl erkennst du an eher “speckigem” Material und einer glatten Oberfläche. Du solltest beim Auskratzen also keine Taschen oder Furchen finden. Eine Ausnahme sind natürlich die mittlere und die seitlichen Strahlfurchen – diese sollten gut erkennbar, aber nicht übermäßig tief sein. Besonders die mittlere Strahlfurche sollte breit und trocken sein, d.h. hier sollte sich kein Dreck sammeln können. Insgesamt sollte sich der Hufstrahl fast über die gesamte Breite der Trachten erstrecken und ca. ⅔ der Huflänge einnehmen.

 

Der Hufstrahl verbindet quasi die beiden Enden der Hornkapsel und ist essentiell für einen gesunden Huf: durch seinen V-förmigen Aufbau und seine gummiartige Hornsubstanz bildet er einen wichtigen Polster im ansonsten eher spröden Huf. Die Wichtigkeit dieser Dämpfungsfunktion wird besonders augenscheinlich, wenn man sich die Fußung des Pferdes veranschaulicht: ein gesundes Pferd zeigt eine Trachtenfußung, das heißt, es setzt bei jedem Schritt zuerst mit dem Trachtenbereich des Hufs auf den Boden auf. In diesem Moment wirken sehr große Kräfte auf den Huf, die Hornkapsel weitet sich im hinteren Bereich und der Strahl wird breiter, dafür in der Höhe gestaucht.

 

Wenn wir nun einen Blick ins Innere des Hufs werfen, dann sieht man, dass über dem Hufstrahl das sogenannte “Strahlpolster” sitzt. Dieses besitzt einen hohen Anteil an Kollagenfasern, durchsetzt mit knorpeligem und Fettgewebe. Deshalb ist das Strahlpolster sehr elastisch und kann sich der Verformung bei Druck auf den Hufstrahl sehr gut anpassen. Dadurch schützt es optimal den empfindlichen Bereich, der über dem Strahlpolster angesiedelt ist: den Hufrollenkomplex (siehe weiter unten).

 

Bodenkontakt des Hufstrahls

 

Der Hufstrahl sorgt mit seinem Strahlpolster aber nicht nur für Dämpfung der auftretenden Kräfte bei jedem Schritt, sondern er presst auch indirekt den Ballenbereich des Hufs auseinander. Deshalb sollte der Strahl im hinteren Drittel Bodenkontakt haben, wohingegen die vorderen zwei Drittel des Strahls im unbelasteten Zustand keinen direkten Kontakt zum Boden haben sollten. Wenn der Hufstrahl hingegen auch Richtung Zehenspitze Bodenkontakt hat, so kann er auf das Hufbein drücken und Schmerzen verursachen. Häufig sieht man dann beim Ausschneiden des Strahls in diesem Bereich Verfärbungen bzw. Einblutungen.

 

Wenn der Hufstrahl hingegen zu wenig Bodenkontakt hat (oder gar in der Luft hängt, also gar nicht den Boden berührt), so kann er den Ballenbereich nicht mehr auseinander drücken. Die Folge: Ballenzwang. Dabei “klappt” die Hufwand am Ballen zusammen, so dass die Trachtenwand von hinten betrachtet nicht mehr senkrecht zum Boden steht, sondern am Ballen deutlich enger ist als am Boden. Dieser Zustand begünstigt wiederum Strahlfäule, welche dazu führt, dass der ohnehin schon verkümmerte Strahl zusätzlich von Bakterien zerfressen wird. Ein Teufelskreis entsteht!

 

Einer der wichtigsten Faktoren für einen gesunden Huf ist daher die ausreichende Strahlunterstützung, welche bei jeder Hufbearbeitung, jedem Hufschutz und auch in den Haltungsbedingungen gut berücksichtigt werden sollte.

 

Wo der Hufstrahl Bodenkontakt hat, kannst du beim Auskratzen der Hufe leicht selbst überprüfen. Lege dazu einfach deinen Hufauskratzer quer über den Huf (so dass er auf den seitlichen Hufwänden aufliegt) und bewege ihn einmal von der Zehe in Richtung Trachten. Auf diese Weise kannst du sehr gut sehen, ab welcher Stelle der Strahl Kontakt zum Hufauskratzer hat.

Der Huf von innen- die innerlich liegenden Strukturen

Anatomie Pferdehuf Innenansicht

Foto: Anatomie Innenansicht

Im Inneren des Hufs befindet sich ein ausgeklügelter Aufbau. Das Pferd hat sich im Laufe der Evolution zum Zehenspitzengänger entwickelt, das heißt, dass es auf der Spitze des letzten Knochens des mittleren Fingers bzw. der mittleren Zehe läuft. Genau dieser Knochen steckt im inneren der Hufkapsel und wird “Hufbein” genannt.

 

Das Hufbein sitzt im vorderen Teil des Hufs und ist über den Hufbeinträger mit der Hornwand verbunden. Das heißt: die Form des Hufbeins spiegelt sich in der Regel in der Form der vorderen Hufwand und der Sohle wieder. In den meisten Fällen kann man daher von der äußeren Form der Hufkapsel auf die Lage des Hufbeins schließen. Bei Erkrankungen (z. B. Verdacht auf Hufrehe) solltest du zur Sicherheit aber stets ein Röntgenbild anfertigen lassen, damit dein Hufbearbeiter auch wirklich exakt arbeiten kann.

 

Über dem Hufbein schließt der nächste Knochen an, nämlich das Kronbein. Dazwischen befindet sich das Hufgelenk und oberhalb des Kronbeins (als Übergang zum Fesselbein) befindet sich das Krongelenk. Durch diese beiden Gelenke kann sich der Huf daher an die Bewegung des Beins anpassen bzw. Bewegungen ausführen. Wenn sich in diesen Gelenken Arthrose bildet, spricht man von “Schale”.

Streck- und Beugesehne

Anatomie Sehnen

Foto: Anatomie Sehnen

Am Hufbein setzen außerdem zwei wichtige Sehnen an. Das vordere obere Ende des Hufbeins ist leicht dreieckig zulaufend und wird “Processus extensorius” (oder manchmal auch “Pyramidalfortsatz”) genannt. Hier setzt die Strecksehne der Gliedmaße an, also jener Sehne, die das Pferd zum Ausstrecken des Beins benötigt. Auf der Unterseite des Hufbeins setzt der Gegenspieler dazu an: die tiefe Beugesehne. Diese wird – gemeinsam mit der oberflächlichen Beugesehne – zum Abwinkeln der Gliedmaße benötigt. Das Hufbein ist also quasi zwischen diesen beiden Sehnen aufgehängt. Wenn sich der Huf daher nicht im Gleichgewicht befindet sondern z. B. zu hohe oder zu niedrige Trachten hat, so wird eine dieser beiden Sehnen übermäßig belastet.

 

Es kann jedoch auch vorkommen, dass die Beugesehnen von Geburt an zu kurz sind: in diesem Fall bekommt das Hufbein einen zu starken Zug auf die Sohlenfläche und kann nicht mehr physiologisch stehen. Als Folge werden die Trachten zu hoch – das Pferd hat einen Bockhuf. Aber Achtung: nicht jeder Bockhuf ist natürlich bedingt! Ein Bockhuf kann auch aus anderen Gründen entstehen, wenn die Sehnen eigentlich ausreichend lange sind, aber die Trachten aus anderen Gründen übermäßig wachsen. Im Zweifelsfall kann dein Tierarzt eine Extensionsprobe durchführen, um zu sehen, wie weit die Sehnen eine Korrektur des Bockhufs zulassen.

 

Der Hufrollenkomplex

Anatomie Pferdehuf Weichteile

Foto: Anatomie Weichteile, Hufrollenkomplex

Damit die tiefe Beugesehne verletzungsfrei über das Hufgelenk gleiten kann, befindet sich an dieser Stelle eine Art Umlenkrolle: das Strahlbein. Dieser kleine längliche Knochen sitzt an der hinteren Seite des Hufgelenks und ist mit Faserknorpeln überzogen, um die Gleitfähigkeit zu verbessern. Zwischen dem Strahlbein und der Beugesehne befindet sich zusätzlich auch noch ein kleiner Schleimbeutel, die Bursa podotrochlearis. Diese Strukturen bilden gemeinsam den Hufrollenkomplex, auch auch kurz “Hufrolle” genannt (im Fachbegriff: Podotrochlea).

Manche Quellen zählen auch die ansetzenden Bänder, Nerven und Blutgefäße zur Hufrolle. Wenn daher von einer Erkrankung der Hufrolle gesprochen wird (Hufrollensyndrom oder “Podotrochlose”), so können unterschiedliche Strukturen betroffen sein. In vielen Fällen ist daran eine unphysiologische Hufform Schuld, bei der zu viel Druck auf den Hufrollenkomplex kommt oder der natürliche Dämpfmechanismus durch das Strahlkissen vermindert ist. Auch hier zeigt sich, wie wichtig es ist, die natürlichen Funktionen des Hufs zu erhalten und zu fördern – egal ob barhuf oder mit Hufschutz. Ein guter Hufschutz darf daher nie zu einer Einschränkung der Huffunktionalitäten führen, sondern muss immer das Ziel haben, diese zu erhalten bzw. zu verbessern.

Die Hufknorpeln

In der Hornkapsel befinden sich aber nicht nur knöcherne und sehnige Strukturen, sondern auch weitere Weichteile. Dazu gehören die seitlichen Hufknorpel, die links und rechts in der Hufkapsel sitzen. Die Hufknorpel setzen an den Hufbeinästen an und tragen entscheidend zur Dämpfung im hinteren Bereich des Hufs bei. Sie sollten über den Kronrand hinaus ragen und können von außen ertastet werden. Du kannst daher die Elastizität der Hufknorpel überprüfen, indem du die bogenförmigen Strukturen oberhalb des seitlichen Kronsaums im hinteren des Hufs abtastest. Bei zunehmendem Alter und schlechter Durchblutung (und somit verminderter Nährstoffversorgung) bzw. falscher Belastung können diese Knorpel nämlich verknöchern. Wenn das der Fall ist, dann ist der Huf in seiner Funktion als Stoßdämpfer erheblich eingeschränkt. Der gesamte Hufmechanismus ist damit vermindert, weshalb auch die Durchblutung reduziert ist.

Hufpolster

Anatomie Pferdehuf Weichteile

Foto: Anatomie Weichteile, Ballenpolster

Das Hufpolster ist eine weitere weiche Struktur im Huf. Das Hufpolster besteht eigentlich aus zwei Bestandteilen: dem Strahlpolster (siehe weiter oben im Abschnitt “Hufstrahl”) und dem Ballenpolster. Das Ballenpolster ist direkt oberhalb des Strahlpolsters angesiedelt, allerdings nur im hinteren Bereich. Davor befindet sich nämlich der Hufrollenkomplex; die tiefe Beugesehne wird daher an der Rückseite vom Ballenpolster geschützt.

 

Das Hufpolster füllt somit den Bereich zwischen den Hufknorpeln aus und gemeinsam verleihen sie dem Huf seine ungeheure Stoßpolster-Funktion.

Man kann das Ballenpolster auch gut am Ballen ertasten: es sollte elastisch und gut ausgeprägt sein.

Ist nur ein idealer Huf ein gesunder Huf?

Nachdem wir nun die wichtigsten anatomischen Strukturen des Hufs kennengelernt haben, wirft man oft einen deutlich kritischeren Blick auf die Hufe unserer pferdigen Freunde. Was aber tun, wenn die Hufe des eigenen Pferdes nun vom Ideal abweichen? Ist dann gleich Panik angesagt?

 

Die Antwort ist einfach: das kommt darauf an! Der wichtigste Gradmesser ist dabei, wie es deinem Pferd mit seinen Hufen geht. Kann es problemlos barhuf über alle Untergründe laufen? Hält sich der Zustand stabil oder wird er schleichend schlechter?

 

Wichtig ist jedenfalls, erkannte Probleme bei deinem Hufbearbeiter anzusprechen und ggf. einen Plan zum Gegensteuern zu entwickeln. Die allermeisten Probleme lassen sich gut in den Griff bekommen, wenn sie rechtzeitig behandelt werden. Zwanghufe, Hufrollensyndrom, Verknöcherungen etc. entstehen meist erst dann, wenn suboptimale Zustände über einen längeren Zeitraum andauern. Frühzeitiges Eingreifen bei ersten Anzeichen wie Strahlfäule oder festsitzenden Steinen im Huf sind daher enorm wichtig, um irreversible Schäden zu verhindern. Oftmals liegt die Lösung in einer Mischung aus Management (Hygiene, Bewegung, Haltung etc.), angepasster Bearbeitung (ggf. mit Hufschutz) und Fütterung (Bedarfsanalyse und daran angepasste Zufütterung/Rationierung). Dazu findest du einen Überblick in diesem Artikel Infos.

 

Wenn bereits deutliche Schäden vorhanden sind (z. B. knöcherne Veränderungen), dann ist dieser Zustand häufig nicht mehr umkehrbar. In diesem Fall muss dem Pferd trotzdem ein schmerzfreies Leben ermöglicht werden, was oftmals nur mittels engmaschigen Bearbeitungsintervallen und individuell angepasstem Hufschutz möglich ist. In solchen Situationen ist es sinnvoll, wenn du als Besitzer ebenfalls lernst einfache Handgriffe selbst durchzuführen, damit du deinem Pferd zwischen den professionellen Bearbeitungen bestmöglich helfen kannst.

Quellen

 

 

Autorin: Nathalie Kurz

Bilder: Nathalie Kurz